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„Die Realität ist eine Fiktion …“

Zum Tod von Gerd Uhlenbruck am 17. August 2023

Von Eva Weissweiler

Er gehörte zum VS wie der Dom zu Köln. Ob auf Lesungen, Festen, Mitgliederversammlungen – er war immer dabei, solange er irgendwie konnte. Eigentlich war er Arzt und Immunbiologe, von 1974 bis 1996 Professor an der Universität. Krebsforschung, Ernährungsmedizin und Sporttherapie, Entwicklung neuer Medikamente und Heilmethoden: all das bedeutete ihm sehr viel. Aber nicht alles. Die Literatur und besonders der Kölner VS waren ihm genauso wichtig. Er war dabei, als ich 1990 in die Gruppe kam. Er verteidigte mich gegen die manchmal noch recht forschen Machos unter uns. Er machte mir Mut, ihnen contra zu geben, getreu seinem Motto:

„Frech gesagt ist halb gewonnen!“

1929 in Köln als erster Sohn eines Arztes geboren, war er der kölscheste von uns allen. Wenn es Streit gab, hatte er immer einen kölschen Spruch parat. Oder einen seiner berühmten Aphorismen, von denen er Tausende in seinem Leben geschrieben hat, zum Beispiel:

 „Zankäpfel sind wie Fallobst. Meistens ist der Wurm drin, und zwar schon länger.“

Gerd Uhlenbruck war aber nicht nur Mediziner und Dichter, er war auch Boxer, Jogger, Fußballer, Casanova und vor allem: ein guter Freund. Er hatte immer ein offenes Ohr für uns alle, ob es um einen medizinischen Rat, ein menschliches Problem oder berufliche Sorgen ging. Dabei vergaß man manchmal, was er selbst alles durchmachen musste: die Diktatur der ihm abgrundtief verhassten Nazis, die Kinderlandverschickung, die Hitlerjugend, die Verfolgung der Edelweißpiraten, unter denen er enge Freunde hatte, die Einberufung in den „Volkssturm“, die Kämpfe im Hürtgenwald, die Flucht „zo Fooß nach Kölle“, als er erst sechzehn Jahre alt war.

Kein Wunder, dass er nicht immer nur lustig war. Dass er auch seine dunklen, melancholischen Seiten hatte und den Halt, den er anderen gab, manchmal selbst zu verlieren drohte. Manches, was er erzählte, klang recht phantastisch. Aber egal. Denn …

Die Realität ist eine Fiktion …

hieß ein Zitat, das wohl nicht von ihm stammte, das man aber oft von ihm hören konnte.
Der Tod seines jüngeren Bruders Wilhelm, eines bekannten Juristen, hat ihn sehr getroffen, obwohl zwischen den beiden nicht immer nur Harmonie geherrscht haben soll. Aber, so hat er in einem Text von 2015 geschrieben, irgendwann hätten sie sich dann doch noch geeinigt: Eines Tages friedlich in einem Grab nebeneinander zu liegen.

„Game over“, so steht es denn da geschrieben. Mundus vult decipi, die Welt will betrogen werden, würde der Jurist sagen. Und ich würde hinzufügen: Für kurze Zeit sind wir alle unsterblich. Und das ist gut so.


Gerhard Uhlenbruck war Ehrenvorsitzender der von ihm mitgegründeten „Deutsches Aphorismus-Archiv“ (DAphA). Auf dessen Homepage findet sich auch ein Nachruf auf ihn:

https://www.dapha.de/wp-content/uploads/2023/08/Nachruf_Gerhard_Uhlenbruck.pdf

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